Nach dem eher traurigen Kapitel von gestern, soll es heute mit einer positiveren Note weitergehen, dafür muss dann mein Beitrag zur heutigen Weinrallye # 37: Tout Blanc - über die Weißweine aus dem Midi noch etwas warten, bis ich wieder mit einem Glas an der Tastatur sitze;-). Ich hoffe, Stefan Schwytz und Mathias Lubner von BACcantus werden mir die Verzögerung verzeihen.
Zum Glück kann ich von meinen täglichen Kontrollgängen durch die verbleibenden Rebparzellen mit den spätreifen Sorten (Mourvèdre und Petit Verdot) noch ein paar ermutigendere Bilder und Neuigkeiten mitbringen, die die Hoffnung aufleben lassen, dass ich im Endeffekt doch wieder einige schöne Flaschen, die den Jahrgang 2010 in Lisson wiederspiegeln, zustande bringen werde.
Wie Dirk Würz, möchte auch ich nicht schon jetzt behaupten, dass es sich um den “Ultrasuperausnahmejahrhundertjahrgang” handelt, wenn auch aus ganz anderen Gründen - selten gab es so wenig Regen, wie in diesem Sommer, vor allem im August. Dafür war der Start zu schwierig, der ja satte 14 Tage Verspätung bei der Blüte mit sich brachte, die zwar durch einen warmen und trockenen Sommer aufgeholt wurden... aber gerade die spätreifen Sorten werden wohl in diesem Jahr kaum viel über 13° potentiellem Alkohol liegen - was im Vergleich zum ebenfalls als "Sonnenjahr" empfundenen 2007, wo die phenologische Reife von satten 14° bis 15° begleitet wurde, bei gleichzeitig immer noch genügend vorhandener Säure, die die Frische garantierte, wohl doch eher einen feinstoffigeren Wein, wie 2005 oder 2002 erwarten läßt.
Auf jeden Fall ist eins schon klar: auch der Lisson 2010 wird ein rares Tröpfchen werden ;-)...
Jetzt aber ab in den Weinberg!
Ob es sich um unsere als Pfropfreben gepflanzten Mourvèdre auf R 110 Unterlage handelt, die 1991, bei der Einrichtung des Weinberges von uns gepflanzt wurden, später als Becher (Gobelet) geformt, mit niedrigem Stamm und 3 Armen, an denen wir jeweils einen Pfropfen mit einem freien Auge beim Winterschnitt behalten. Ziel: wenige, aber eben sehr reife Trauben, die konzentrierten Saft ergeben für unsere Weine..
oder um die dazwischen stehenden jüngeren Stöcke, vor Ort einige Jahre später ebenfalls auf R 110 von uns vor Ort aufgepfropft - mit Rebholz, dass ich noch gemeinsam mit Claude Rudel in den Weinbergen der Grange des Pères (natürlich in Absprache mit Laurent Vailhé;-) ) ausgesucht hatte.
Alle haben uns dieses Jahr sehr schöne Traubengebinde gegeben - und haben während des extrem trockenen und heißen Sommers gezeigt, dass sie inzwischen tief genug wurzeln, um auch dem Trockenstress zu widerstehen, mit dem wir hier ja wesentlich öfter konfrontiert sind, als mit zu viel Wasser ...
Füllige Trauben mit fetten Beeren an den einen - die für den Mourvèdre eher typischen lascheren Trauben, die ihn noch besser vor eventueller Spätfäule schützen, bei den anderen - hier zeigt sich deutlich, dass die Unterschiede, auch innerhalb einer Sorte, je nach Klone oder Untervariante sehr verschieden ausfallen.
Die Trauben ähneln sich nie exakt - die Pfropfunterlage, das Pfropfholz, die Stellung im Weinfeld (eher höher oder tiefer am Hang), die Stellung in einer Reihe (mit oder ohne Schattenwurf von den Nachbarstöcken), selbst die Stellung einer Traube am selben Stock (voll in der Nachmittagssonne oder eher mit Morgensonne und Nachmittagsschatten), ja, auch die am Jahrestrieb (ganz unten, oder etwas höher angesiedelt) - all das spielt eine Rolle und gibt jeder Traube ihre eigene Gestalt und ihren eigenen Charakter - und so ist der Wein, der daraus resultiert schon ein "Mischsatz" aus all diesen Einzelcharakteren, die Synergie im Cuve ergibt erst das Ganze, das ja auch hier mehr ist, als die Summe seiner Teile: eben ein jeweils sehr individueller Jahrgang, der sich schon nach dieser Definition jedem nivellierenden Reproduktionsversuch wiedersetzt .
Keine Spuren von Spritzmitteln in diesem Jahr auf den Traubenhäuten - die klimatischen Bedingungen dieses Sommers und Frühherbstes waren ideal, um das Risiko einzugehen, selbst auf die sonst übliche, niedrig dosierte Sprühung mit Kupferkalk zu verzichten. Das ist relativ häufig möglich, an unseren Hanglagen im Hinterland des Languedoc - wie auch in anderen Berggegenden des Midi und erklärt wohl auch die hohe Dichte an biologisch oder biodynamisch arbeitenden Winzern hier im Süden. Sonne und Wind satt sind halt ideale Verbündete im Kampf gegen Pilzkrankheiten, die in feuchteren und kühleren nördlicheren Weingegenden den Winzern auch in diesem Jahr schwer zu schaffen machten. Und auch unsere Rebsorten auf den eher kargen Böden wachsend - und wie oben schon ausgeführt, eher auf geringe Ertragsmengen (bei uns theoretisch im Schnitt so höchstens 15 bis 20 hl/ha) "getrimmt", schützen uns recht regelmäßig vor Rebfäule, die ja im Norden - von der Champagne bis hinüber nach Deutschland und Österreich, den Winzern in diesem Jahr große Sorgen bereitet.
"übelste Fäulniss. Weißschimmel, Rosafäule und usw. Egal ob Öko oder Konventionell. Anlagenweise natürlich unterschiedlich. Essigfäule ist auch schon da" gibts da zu lesen - und es ist sicher eher Galgenhumor, wenn Dirk Würz dazu schreibt: Das macht aber auch nichts… einfach kann es schließlich jeder.
Und weil heute eigentlich alles "Tout Blanc" sein sollte, hier schnell noch ein Bild unserer wenigen weißen Trauben, ein paar Stöcke unseres Chenin, gemischt unter die Mourvèdrereben hinter dem Haus. Sie dienten uns damals als Versuchspflanzen, um zu beobachten, wie sich sich verhalten und hier einleben, falls wir eines Tages eine Parzelle mit dieser Rebsorte oben auf dem Berg anpflanzen wollten, um einen Edelsüßen mit hoher natürlicher Säure im Barrique zu vinifizieren. ... dazu ist es leider nach 2001 nicht mehr gekommen. Ich hatte schon einmal anlässlich einer Weinrallye ausführlich davon berichtet.
Jetzt geht es also täglich darum, den richtigen Moment abzupassen, um diese letzten Trauben einzubringen - und gegen den Reflex anzukämpfen, sie auf jeden Fall schnellsten zu ernten, solange sie noch da sind. Denn was brächte es, nur auf die Menge zu schielen, solange die Qualität eines zukünftigen Lissonweins noch nicht voll garantiert ist - eben kein leicht süffiger Blässling - mit Primärfrucht, den man schluckt, ehe man ihn überhaupt auf der Zunge und am Gaumen wahrgenommen hat - möglichst noch gut gekühlt, sondern ein Tropfen, den man genießt, dem man seine volle Aufmerksamkeit und eben auch Zeit widmet, in der man ihm nachspürt, um die Spuren seiner Herkunft, seiner sich jährlich erneuernden Geschichte nachzuhorchen - diese Einzigartigkeit, die wir wir ihm jedes Jahr neu in Weinberg und Keller zu entlocken versuchen...
Also jeden zweiten Tag Kontrolle der Dichte (Zuckergehalt) des Traubensafts (ganz nah an 13° potentiellem Alkohol inzwischen) und Verkostung von Häuten und Kernen, deren Reife auch eine wesentliche Rolle für die Ernteentscheidung spielt. Die kleine Besucherin an meiner Zitruspresse scheint da schon recht zufrieden zu sein:-).
und auch die beim Mourvèdre beim ersten Saft nie so intensive Farbe wird langsam sichtbarer.

Also wird das nächste Kapitel dann wohl sehr bald von der echten Ernte 2010 in Lisson berichten - so viel ist sicher - zum Glück lässt uns das sonnige Wetter dieser ersten Herbsttage noch die Wahl.
und danke all den Freunden von Lisson, die mir in den letzten Tagen Mut zugesprochen haben ...