Da hab ich mich ja auf was Schönes eingelassen - den Inhalt für das zweite AdtzVentzTürchen des großen Überraschungskalenders von HundertachtzigGrad zu liefern - und das als seit über 30 Jahren im Wald im Languedoc lebende Exil-Düsseldorferin.
Susa hat mir sogar das passende Logo - mit Weinblatt - für den heutigen Tag geschickt:

Meine zaghaften Versuche, deutsche Weihnachtsbräuche in diese, bis vor wenigen Jahren vom ganzen Adventsrummel noch unberührte Gegend einzuführen, waren doch eigentlich schon vor langer Zeit klaghaft gescheitert...
Natürlich hatte ich im ersten Jahr, in der ersten Wohngemeinschaft meines auch damals schon nicht mehr so jungen Lebens in mühevoller Kleinarbeit einen Adventskalender bestickt - wie im lang zurückliegenden Handarbeitsunterricht: auf Stramin,mit klaren Farben und den üblichen Motiven - und vor allem einem roten Kalenderrahmen im Plattstich und allen 24 Zahlen, unter denen dann die handgenähten Säckchen mit den mühsam zusammengesuchten Überraschungen für meine beiden französischen Alt-Achtundsechziger Mitbewohner aufgehängt wurden - die geraden Tage für Pierre, die ungeraden für Philippe - aber irgendwie sind beide über die ersten Tage nicht hinweggekommen mit dem Öffnen - und so ab dem 7. habe ich dann das morgendliche Drängeln aufgegeben und in aller Stille die restlichen Säckchen selber aufgeschnürt und ausgeräumt - nur mit den "Überraschungen" war es so natürlich nicht mehr so weit her....
In den folgenden 20 Jahren, schon in Lisson, mitten im Wald am Fuß unseres wilden Hügels, der in den nächsten Jahren langsam zum Weinberg werden sollte, ließ ich es dann bleiben und versuchte erst gar nicht, meinen französischen Ehemann und Bauernsohn mit solchem Schnickschnack zu betören. Immerhin gab es da ein paar Jahre lang einen Weihnachtsbaum vor der Tür - unser Versuch, die von Nachbarn in ausgerissenen Weinfeldern an unserem Wegrand aufgrund obskurer Subventionprogramme gepflanzten Fichten subversiv zu dezimieren, die wir in unserem trockenen Klima fürebenso nutzlos, da viel zu langsam wachsend, als auch unangebracht (Bodenversauerung) und sogar gefährlich - da leicht brennbar - hielten...
Kerzen gabs in diesem nicht an das Netz des französischen Atomstroms angeschlossenen Ort das ganze Jahr über, um unsere Abende und Nächte etwas zu erhellen, also hatte auch das keinen besonderen, auf eine bestimmte Jahreszeit beschränkten Reiz, Weihnachtsgeschenke waren in meiner katholischen Schwiegerfamilie nicht üblich - wichtiger war der Besuch zu Neujahr, wo dann diskrete Umschläge mit den "Etrennes" für nützliche Anschaffungen an die 5 erwachsenen Kinder verteilt wurden (natürlich erst nach einem üppigen 3 stündigen Neujahrsmahl - traditionell mit oeufs mimosa als entré und der der knoblauchgespickten Hammelkeule in der Mitte...
Immerhin ersparte das mir,nach ersten Versuchen mit kleinen, sorgfältig eingepackten Geschenken, die eher leichte Peinlichkeit auslösten, da es eben keine vorgesehenen "Gegengaben" in gleichen Stil gab, in den folgenden Jahren den den Stress der vorweihnachtlichen Geschenkejagd.
Deutsche und englische Freunde und Verwandte sorgten in der Vor-Internetzeit immerhin noch für die bunte Weihnachtskartenguirlande an den alten Eichenbalken unserer Zimmerdecke, die ab Beginn Dezember etwas Weihnachtsstimmung in den sonst undekorierten Raum brachte. Franzosen verschicken ihre guten Wünsche erst nach Weihnachten fürs Neue Jahr, sozusagen zu einem Zeitpunkt, wo man eher an den bald wieder anstehenden Frühjahrsputz mit guten Vorsätzen fürs Aufräumen denkt und deshalb den Krimskrams eher diskret in einer Pappschachtel verschwinden lässt.
Wären da nicht unsere Freunde im Nachbardorf gewesen, die immerhin ab Anfang Dezember die alte Familienkrippe mit den provenzalischen Santons aus dem Keller holten und mit viel Moos und Schiefersteinen die entsprechende Landschaft auf der Fensterbank aufbauten, um diese bunte Schar gekonnt in Szene zu setzen - bis hin zum wichtigen Detail, die schwangere Maria auf ihrem Esel zu Weihnachten gegen die schlankere auszutauschen - mit dem zuletzt ausgepackten Jesuskind, das endlich in der Krippe liegen durfte, ich hätte mich weiter darauf beschränken müssen, in melancholischen Momenten heimlich meine alte Schulblockflöte aus dem abgegriffenen Etui zu holen, und leise vor mich hin mein Flötenbüchlein aus ebenso vergangenen Zeit rauf und runter zu spielen...mit kommet ihr Hirten, es ist ein Ros' entsprungen und Stille Nacht, heilige Nacht....wobei der deutlichste Kommentar zu diesen musikalischen Darbietungen viele Jahre von Philibär, unserem sonst so treuen Hund kamen, der sich dann leise winselnd auf die Kellertreppe flüchtete.
Dank der schon oben eingeführten Freunde bekam ich aber doch noch einen tieferen Einblick in das traditionelle ländlich katholische Weihnachtsprogramm - nix mit Weihnachtsspaziergang am Heilig-Abend-Spätnachmittag mit Papa, während Mutter den Baum schmückt und Beschehrung beim Nach-Hause kommen nach Ansingen der (echten!) Kerzen, Aufsagen vom "draus vom Walde" und vor dem Kartoffelsalat mit Würstchen (für mich Cocktailwürstchen auf besonderen Wunsch des sonst als strikt vegetarisch bekannten Kindes und ein Stück geräucherten Aal für Vater - jedem seine Extrawurst!) Ach ja, es gibt da ja auch noch das alte Schwarz-Weiß-Photo (das muss ich jetzt einfach noch mit PH schreiben!) im Familienalbum mit der Unterschrift "Muschi auf dem Puff mit Flöte", aber das war hinterher, denn da liegen noch jede Menge sorgfältig fürs nächste Jahr zusammengefaltete Geschenkpapiere neben dem goldbedruckten Skai Sitzkissen...
Ein klassischer französischer heiliger Abend ist da eine ganz andere Sache. Man trifft sich am späten Abend, neben der Krippe (siehe oben, Maria noch auf dem Esel), früher wurden dann sicher Geschichten erzählt, wie an jeder "Veillé", dem nach Anbruch der Dunkelheit stattfindenden geselligen Zusammensitzen - heut darfs auch schon mal das weihnachtliche Fernsehprogramm sein, das im Hintergrund läuft und für die einstimmende Geräuschkulisse sorgt. Dann scheiden sich die Weicheier von den Hartgesottenen - die ersteren fahren im Auto in die Kirche, in der der reisende Landpastor die erste Christmette abhält - je mehr Paroissen er abhaken muss, desto eher hat man die Chance, einen Termin zu finden, der es erlaubt, um 8 oder 9 wieder zum Essen zu Hause zu sein. Die Traditionalisten warten stoisch bis zur letzten Messe, der einzig echten - eben die um Mitternacht - und natürlich geht man so weit wie möglich zu Fuß, jedenfalls solange es nicht in Strömen regnet. In den glücklichen klaren kalten Nächten, wenn die Sterne am noch nicht lichtverschmutzten Himmel blinken, hat das durchaus was, fast ist man dann versucht, den berühmten Kometen zu suchen, während man durch die Weinberge zur kleinen romanischen Abteikirche auf ihrem Hügel wandert... und dort, in der klirrenden Kälte auf den harten Bänken ist man als ungeübtes Protestantenkind dann dankbar für die wärmende Gymnastik des vielen Aufstehens und Hinsetzens, immer sorgfältig darauf achten, was die Banknachbaren machen ...und wenn dann zum Schluss gesungen wird - les anges de nos campagnes - il est né le divin enfant und natürlich Minuit Chrétien, bei dem sich die Tenöre unter den Anwesenden so richtig ins Zeug legen können:
"Peuple debout! Chante ta délivrance,
Noël, Noël, chantons le Rédempteur!
Und dann ab nach Hause, denn jetzt kommt das, worauf alle schon den ganzen Abend gewartet haben und was die leise knurrenden Mägen in den Gesangspausen schon andeuteten: Das Weihnachtsessen!
Zu Hause wartet die vorbereitete lange Tafel: la grande bouffe kann beginnen.
Entrée: wahlweise Lachs, Jakobsmuscheln und Austern, Riesencrevetten oder gar Languste, natürlich begleitet von der selbstgemachten Aioli.....gerne begleitet von einem Picpoul de Pinet oder einfach einem Glas Champagner (oder einer Blanquette de Limoux für die Regionalisten).
Danach mit Vorliebe Fois Gras - und traditionell vom Hausherrn selbst zubereitet und serviert: Ragout Fin - (Rezept kann bei Matthias vom ersten Türchen nachgelesen werden;-) - in anderen Haushalten kommt auch mal die nur zu Feiertagen servierte Boudin Blanc zum Einsatz, die ich (irrtümlicherweise?) lange Zeit für die französische Variante von Weißwurst gehalten habe...
Natürlich verschiedene Salate (grüner mit Olivenöl, Feldsalat mit frischen Wallnüssen natürlich mit dem entsprechen Nussöl)) - große Wurstplatten mit Bergschinken, Saucisse sèche und diverse hausgemachte Terrinen - und die ersten Rotweine - meist regional, also aus dem Languedoc, also Grenache, Syrah, Mourvèdre und Carignan in diversen Assemblages, meist relativ jung serviert.
Alles natürlich mit reichlich frischem (oder angesichts der späten Nachtstunde nochmal kurz aufgebackenem) Baguette begleitet.
dann ist eigentlich der erste Trou Normand angesagt - das kann auch statt Alkohol ein einfaches, erfrischendes Sorbet sein, schließlich ist das Mahl noch lange nicht zu Ende...
Und dann kommt langsam das Hauptgericht - plat de résistance genannt - also tief durchatment und den Gürtel aufschnallen...
Da gibt es entweder die gefüllte Ente oder Gans (natürlich mit Marons d'Olargues) - oder eben die sanft gegarte Hammelkeule - natürlich auch hier wieder mit viel Knoblauch - dazu - je nach Herbstwetter - die selbst gesammelten Steinpilze oder Pfifferlinge - seltener um diese Jahreszeit noch frisch zu finden, aber auch gerne gesehen getrocknet in den diversen Saucen oder süß-sauer eingemacht als Konserve..
Natürlich gibt es auch diverse Gemüse - aber irgendwie kann ich mich, trotz meiner persönlichen Vorliebe für diesen Teil der Ernährung nicht mehr richtig daran erinnern... es ist inzwischen so irgendwas zwischen 2 und 3 Uhr Morgens, da nimmt mit zunehmender Nahrungsaufnahme (und diversen Toasts) auch das Fassungsvermögen meines Hirns und meiner Geschmacksknospen langsam nach. Das ist natürlich besonders schade,weil hier jetzt meistens die älteren Weine, sorgfältig am Nachmittag entkorkt und zum Atmen in ihre Karaffen umgefüllt, auf den Tisch kommen. Entweder ein besonders alter Jahrgang vom kleinen Winzer des Vertrauens, oder auch mal ein älterer Bordeaux oder Burgunder, der von einem früheren Besucher mitgebracht und der hiesigen Sitte folgend, nicht sofort geöffnet, sondern erst mal im Keller eingelagert wurde.
So, jetzt ist Zeit für den nächsten Trou Normand - diesmal darf er ruhig aus einem kleinen Glas Alkohol bestehen, zum Beispiel einer Poire Williams oder einem anderen geistigen Getränk...
Jetzt folgt narürlich noch die Käseplatte, der Weihnachtsroquefort - entweder der aus der flachen silbernen Dose, die Société zum Fest herausgibt, oder, noch besser, der nachgereifte aus dem Deputat eines Milchlieferanten für die Großmolkerei, von denen jeder einen auf dem Larzac kennt, der ihm diese Köstlichkeit von Zeit zu Zeit überlässt - und natürlich auch ein alter Lagiole, nur echt mit dem wenig dezenten Stallgeruch auf der dicken Kruste und wer das voher nicht schon beim Braten getan hat, kramt spätestens jetzt sein gleichnamiges Lieblingsmesser aus der Hosen- oder Handtasche...(das, das mir immer im letzten Moment siedend heiß einfällt, wenn ich mit dem Koffer am Flughafengepäckschalter stehe...). Die kleinen regionalen Ziegenkäse aus der Gegend, die sonst in allen Reifegraden in der Ronde des Fromages nicht fehlen dürfen sind nur noch als besonders reife und kräftige Exemplare vertreten, da hier ja jeder weiß, das ein anständiger Chevrier die Produktion im Herbst einstellt, um sie erst im Frühjahr, nach dem Lämmern wieder aufzunehmen. Aber natürlich hat man sich eine große Tome de Chèvre in Reserve gelegt die jetzt zu Ehren kommt...so denn noch jemand Platz hat. Obwohl, wenn man einmal gelernt hat, dass nichts so verführerisch ist, wie noch ein Stückchen Käse zum letzten Schluck Rotwein (ja, richtig gelesen, Rot, nicht unbedingt nur Weiß, denn da verteitigen sich bei der hier geschilderten Auswahl eben auch unsere Lisson-Weine sehr gut:-) - und dann natürlich noch ein Schluck Rotwein zum letzten Stück Käse und.....
Ja, und dann, nein, immer noch nicht die Bescherung (für die, die bemerkt haben, dass davon noch nicht die Rede war), nein, jetzt erst das Dessert - und das ist natürlich die Buche de Noel - diese baumstammförmige Variation unserer Buttercrèmetorte...oufff....
danach braucht man absolument einen kleinen Café - und den Pousse Café - den alten Cognac oder, sozusagen medizinisch gerechtfertigt, die alte Chartreuse...und während jetzt endlich die Geschenke ausgepackt werden können (die Uhr zeigt langsam 4 Uhr morgens an...)...gibt es für die weniger reichlich bedachte ältere Generation noch die traditionellen 13 Desserts de Noel - ein bunter Teller von gefüllten Feigen und Datteln, Callissons d'Aix und den restlichen 10 anderen Süßigkeiten, die zum Fest nicht fehlen dürfen.
Ja, und dann ist es Zeit, sich durch die verknüllten Papierberge zum Mantel zu kämpfen, im Gepäck die neuen Geschenke und noch ein paar eingepackte Reste vom langen Mahl und möglichst heil nach Hause zu kommen (auf Taxen darf man hier auf dem Land nicht rechnen - mit Gendarmen aber meist zu dieser spät/frühen Stunde auch nicht...). Und wenn man Glück hat, wird man von den Schwiegereltern eben erst am Neujahrstag um punkt 12 bei Tisch erwartet und nicht am 1. (und hier einzigen) Weihnachtstag...
So, das war das, was mir jetzt beim Schreiben im Morgengrauen, während draußen der hier so lang ersehnte Regen gegen das Balkonfenster meiner Oberkasseler Gastherberge pladdert, zu diesem zweiten Türchen eingefallen ist.
Nicht lesen werden die Anhänger von 180° also meine ursrünglich geplante Abhandlung über die Entwicklung des In-Tieres für die Advents und Weihnachtszeit in Düsseldorfer Schaufensterdekorationen, (letztes Jahr wars der Hirsch - um wenigstens etwas zu verraten, was den geneigten deutschen Lesern wohl auch kaum entgangen sein dürfte), den Glühwein im Allgemeinen und seine Vertreter in Supermarktregalen im besonderen (nachdem mein Coputer letzte Woche schon einen Totalcrash nach Virus hatte, habe ich von Selbstversuchen am eigenen Körper Abstand genommen - eine "Vergiftung" à la fois genügt.
Nicht sehen kann man leider auch die Bilder, die natürlich eine solche Aufzählung von Gaumenfreuden bei einem guten Blogger ergänzen sollte - aber es handelt sich hauptsächlich aus Erinnerungen aus vordigitalen Zeiten - als noch gegessen werden konnte, ohne erst langwierig das richtige Licht für's Foto der dekorieten Teller und Platten zu suchen...
Und jetzt muss der Inhalt dringend online gehen, so denn mein Blog-Provider wieder mitspielt - was zu Beginn meiner frühmorgendlichen Sitzung gerade mal wieder nicht der Fall war (um 3 Uhr 15 aus einem Alptraum erwachtund aufgesprungen : ich hab meinen Türchenartikel noch nicht fertig....Susa kriegt nen Fön...). Also dann, ich freu mich schon auf die nächsten Türchen, die ich dann ganz in Ruhe ausgeschlafen lesen werde:-)! Bis dahin, frohe AtzVentz-Zeit!
(übrigens: korrigiert wird erst später, vielleicht streue ich dann auch noch ein paar Links über den Text - für heute morgen muss es so gehen, sonst werde ich nie fertig - gearbeitet soll ja heute auch noch werden..)